Kategorie: Fotosession im Schloss, Ewald Vorberg 2013

Die Frau und ihre Schönheit – Texte von Baudelaire illustriert mit Bildern von Ewald Vorberg

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Anna in der Kreation von beata Sievi, Photographie: Ewald Vorberg

„Sie ist vielmehr eine Gottheit, ein Gestirn, das die Vorstellungswelt des männlichen Gehirns regiert; sie ist ein Gaukelspiel aller Reize der Natur, die sich in einem einzigen Wesen verdichtet haben; sie ist der Gegenstand der Bewunderung und der lebhaftesten Neugier, die das Bild des Lebens dem Betrachter zu bieten hat. Eine Art Götzenbild, geistlos vielleicht, doch blendend, betörend, von des­sen Blicken Schicksale und Entschließungen abhängen.“

Anna in der prêt-à-porter Kreation von Beata Sievi, Kollektion Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth
Model Anna und Schauspieler Niko Ruch in den prêt-à-porter Korsett-Kreationene von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth
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Anna in der prêt-à-porter Kreation von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth

„Sie ist, sa­ge ich, kein Tier, dessen korrekt versammelte Gliedmaßen ein vollkommenes Beispiel der Harmonie bieten; sie ist auch nicht der Typus der reinen Schönheit, wie der Bildhauer in seinen strengsten Betrachtungen ihn sich erträumen mag; nein, das würde noch nicht hinreichen, ihren geheimnisvollen und vielfältigen Zauber zu erklären.“

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Anna in der prêt-à-porter Korsett-Kreation von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth

 „Alles, was die Frau schmückt, alles, was ihrer Schönheit einen höheren Glanz verleiht, ist ein Teil ihrer selbst; und die Künstler, die sich vornehmlich auf das Studium dieses rätselhaften Wesens verlegt haben, sind in den ganzen mundus muliebris ebenso vernarrt wie in die Frau selbst. Die Frau ist gewiß ein Licht, ein Blick, eine Einladung zum Glück, ein Wort manchmal; vor allem aber ist sie ein harmonisches Ganzes, harmonisch nicht nur in ihrer Art sich zu betragen, und in der Bewegung ihrer Glieder, sondern auch in den Musselinen, den Gazen, den weiten und schillernden Gewölken von Stoffen die sie umhüllen und die gleichsam die Attribute und das Piedestal ihrer Göttlichkeit sind…“

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Anna in der prêt-à-porter Kreation von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth

„Welcher Dichter wagte es, in der Schilderung der Lust, die ihn beim Erscheinen einer Schönheit ergreift, die Frau von ihrer Klei­dung und ihrem Putz zu trennen? Wer ist der Mann, der nicht auf der Straße, im Theater, im Bois, auf die selbstloseste Weise, an einer mit Geschick komponierten Toilette seine Freude gehabt und nicht ein von der Schönheit ihrer Trägerin unablösbares Bild mitgenommen hätte, weil sich ihm beides, die Frau und ihr Kleid, zu einer untrennbaren Einheit verband? Dies scheint mir nun die Gelegenheit, auf gewisse Fragen hinsichtlich der Mode und des Putzes zurückzukommen…“

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Model Anna und Schauspieler Niko Ruch in den prêt-à-porter Korsett-Kreationene von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth

„Alle Künste müssen ihr deshalb als Mittel dienen, sich über die Natur zu erheben, um die Herzen besser zu unterjochen und den Geist zu bestricken. Es ist unentbehrlich, ob die Listen und Kunstgriffe allen bekannt sind, wenn der Erfolg nur gewiss und die Wirkung immer unwiderstehlich ist. In solchen Erwägungen wird der philosophische Künstler leicht die Rechtfertigung aller Mittel finden, welche die Frauen zu allen Zeiten angewandt haben, um ihre zarte Schönheit zu festigen und sie gewissermassen zu vergöttlichen.“

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Anna in der prêt-à-porter Kreation von Beata Sievi, Collection Printemps 2013, Bild: Ewald Vorberg, Styling: Constanze Roth

Texte: Charles Baudelaire, Der maler des modernen Lebens in: Aufsätze zur Literatur und Kunst 1857-1860, Hanser Verlag 1989

Models:  Anna Logue und Schauspieler Nikolas Ruch

Korsett-Kreationene von Beata Sievi, Collection Printemps 2013

Bild: Ewald Vorberg

Makeup und Hair:  Constanze Roth

Kurzfilm mit Impressionen von der Fotoshooting und mit stimmungsvoller Musik von Graham Lynch

Anna porrätiert von Ewald Vorberg
Anna porrätiert von Ewald Vorberg

Dandys und die Herrenkorsetts im XIX Jh

Der Dandy ist ein Mann von einfacher, erlesener Eleganz, die stets eine bestimmte Geistes- und Lebenshaltung zum Ausdruck bringt. Er ist ein Gentleman, ausgezeichnet durch perfekte Manieren,  unerschütterlich in allen Lebenslagen, geübt in zynisch-frivolem Konversationston und auf die Spitze getriebenem Selbstkult. Als passionierter Müßiggänger und notorische Spielernatur verachtet er die Arbeit. Gleichzeitig  Solitär und Gesellschaftsmensch, benötigt er eine Bühne und ein Publikum, um seinen Selbstdarstellungstrieb zu befriedigen.

Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg
Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Atelier „entre nous“ in Winterthur, Fotografie: Ewald Vorberg

Der moderne Geist des Dandytums erschien zuerst in den revolutionären 1790er Jahren, in London und in Paris, wo er als politischer Protest gegen die Nivellierung egalitärer Prinzipien angesehen werden kann. Der Dandy blickte auf die adlige Welt und deren ästhetischen Werte zurück und versuchte, sie zu bewahren. Gleichzeitig  erlaubte er sich Freiheiten, die in der Adelskultur nicht gestattet waren und eignete sich Verhaltensweise an, die erst im Zeitalter des bürgerlichen Individualismus teilweise gesellschaftsfähig wurden. Er beherrschte indes die Kunst zu gefallen, indem er nicht gefiel. Baudelaire fasst die Philosphie des Dandytums, wie folgt,  zusammen: „Ob diese Männer sich Rafffinès, Incroyables, Beaux, Lions oder Dandies nennen, alle haben einen gemeinsamen Ursprung: allen eignet der gleiche Charakter des Widerspruchs und der Auflehnung; alle sind Vertreter dessen, was das beste am menschlichen Stolz ist, des bei den Heutigen allzu seltenen Bedürfnisses, die Trivialität zu bekämpfen und sie zu vernichten. Dem entspringt, bei den Dandies, diese hochmütige Attitüde einer herausfordernden Kaste, unbeschadet aller Kaltsinnigkeit.“

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Schauspieler Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Atelier „entre nous“ in Winterthur,            Fotografie: Beata Sievi

Dandy war stets „the Man of Fashion“.  Das neue Körperbewusstsein, das sich durch die Beschäftigung mit antiker Plastik im 19 Jhdt. herausbildete, fand seine Umsetzung in der Schneiderei. Diese Einflüsse ließen den modernen Herrenanzug entstehen, der körpernah geschnitten die V-Silhouette des Mannes hervorhob, und der meist aus festem Stoff in gedeckten Farben bestand und bis heute besteht. Um besonders schlank zu erscheinen, zwängten sich die Dandys in mit Fischbein gestärkte Korsetts.

"Size 13 - on my honor Herr Baron, we seldom see that here in Berlin." Aus: Die Mode in der Karikatur 1855
„Size 13 – on my honor Herr Baron, we seldom see that here in Berlin.“ Aus: Die Mode in der Karikatur 1855

Andererseits  war aber dieser Kult der Schönheit und der Eleganz und die angespannte Sorgfalt in der Auswahl der Toilettenartikel wahrscheinlich auch ein Symptom einer tieferliegenden Krise. Ekel vor einer Gesellschaft, die als arm und mittelmäßig wahrgenommen wurde, legte die Suche  nach einem neuen Ideal nahe.

Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg
Schauspieler Niko Ruch im Ribbon-Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg

Charles Baudelaire, der später der „metaphysischen“ Phase des Dandytums angehörte, definiert den Dandy als denjenigen, der die Ästhetik zu einer lebendigen Religion erhebt, “ in bestimmter Hinsicht reicht das Dandytum nah an Spiritualität und Stoizismus heran. (…) Diese Wesen haben kein anderes Ideal, als die Pflege der Idee der Schönheit in ihrer eigenen Person und die Befriedigung ihrer Leidenschaften im Fühlen und Denken … Im Gegensatz zu dem, was viele gedankenlose Menschen zu glauben scheinen, ist Dandytum nicht einmal eine übermäßige Freude an Kleidung und Eleganz. Für den perfekten Dandy sind diese Dinge nicht mehr als ein Symbol der aristokratischen Überlegenheit seines Geistes. “

Berühmte Dandys waren: Beau Brummell, Charles Baudelaire, Lord Byron, der Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Benjamin Disraeli, später auch die Vertreter des Ästhetizismus wie Ernst Jünger, Oscar Wilde, Aubrey Beardsley.

Oscar Wilde - portrait by Napoleon Sarony
Oscar Wilde – portrait by Napoleon Sarony

Auch wenn ein Revival des Dandys während unseres Shootings in einem süddeutschen Rokoko-Schloss (Fotografie: Ewald Vorberg) nicht unser bewusstes Vorhaben war, legen die Portraits des Schauspielers Nikolas Ruch diese Assoziation doch nahe.   Das Korsett kann hier sowohl als Accessoire betrachtet werden, das die modische hourglass-Silhouette betont und  eine aristokratische Haltung anzunehmen erlaubt, wie auch als ein Verstoß gegen die angewohnten Regeln…

Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg
Schauspieler Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg
Schauspieler Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg
Schauspieler Niko Ruch im Korsett von Beata Sievi, Fotografie: Ewald Vorberg

Literatur:

Günter Erbe, „Der moderne Dandy“

Melanie Grundmann, „Dandiana“

Ein Kurzfilm von Beata Sievi dokumentiert das Fotoshooting 2013 von Ewald Vorberg mit Niko Ruch