
„Sie ist vielmehr eine Gottheit, ein Gestirn, das die Vorstellungswelt des männlichen Gehirns regiert; sie ist ein Gaukelspiel aller Reize der Natur, die sich in einem einzigen Wesen verdichtet haben; sie ist der Gegenstand der Bewunderung und der lebhaftesten Neugier, die das Bild des Lebens dem Betrachter zu bieten hat. Eine Art Götzenbild, geistlos vielleicht, doch blendend, betörend, von dessen Blicken Schicksale und Entschließungen abhängen.“


„Sie ist, sage ich, kein Tier, dessen korrekt versammelte Gliedmaßen ein vollkommenes Beispiel der Harmonie bieten; sie ist auch nicht der Typus der reinen Schönheit, wie der Bildhauer in seinen strengsten Betrachtungen ihn sich erträumen mag; nein, das würde noch nicht hinreichen, ihren geheimnisvollen und vielfältigen Zauber zu erklären.“

„Alles, was die Frau schmückt, alles, was ihrer Schönheit einen höheren Glanz verleiht, ist ein Teil ihrer selbst; und die Künstler, die sich vornehmlich auf das Studium dieses rätselhaften Wesens verlegt haben, sind in den ganzen mundus muliebris ebenso vernarrt wie in die Frau selbst. Die Frau ist gewiß ein Licht, ein Blick, eine Einladung zum Glück, ein Wort manchmal; vor allem aber ist sie ein harmonisches Ganzes, harmonisch nicht nur in ihrer Art sich zu betragen, und in der Bewegung ihrer Glieder, sondern auch in den Musselinen, den Gazen, den weiten und schillernden Gewölken von Stoffen die sie umhüllen und die gleichsam die Attribute und das Piedestal ihrer Göttlichkeit sind…“

„Welcher Dichter wagte es, in der Schilderung der Lust, die ihn beim Erscheinen einer Schönheit ergreift, die Frau von ihrer Kleidung und ihrem Putz zu trennen? Wer ist der Mann, der nicht auf der Straße, im Theater, im Bois, auf die selbstloseste Weise, an einer mit Geschick komponierten Toilette seine Freude gehabt und nicht ein von der Schönheit ihrer Trägerin unablösbares Bild mitgenommen hätte, weil sich ihm beides, die Frau und ihr Kleid, zu einer untrennbaren Einheit verband? Dies scheint mir nun die Gelegenheit, auf gewisse Fragen hinsichtlich der Mode und des Putzes zurückzukommen…“

„Alle Künste müssen ihr deshalb als Mittel dienen, sich über die Natur zu erheben, um die Herzen besser zu unterjochen und den Geist zu bestricken. Es ist unentbehrlich, ob die Listen und Kunstgriffe allen bekannt sind, wenn der Erfolg nur gewiss und die Wirkung immer unwiderstehlich ist. In solchen Erwägungen wird der philosophische Künstler leicht die Rechtfertigung aller Mittel finden, welche die Frauen zu allen Zeiten angewandt haben, um ihre zarte Schönheit zu festigen und sie gewissermassen zu vergöttlichen.“

Texte: Charles Baudelaire, Der maler des modernen Lebens in: Aufsätze zur Literatur und Kunst 1857-1860, Hanser Verlag 1989
Models: Anna Logue und Schauspieler Nikolas Ruch
Korsett-Kreationene von Beata Sievi, Collection Printemps 2013
Bild: Ewald Vorberg
Makeup und Hair: Constanze Roth
Kurzfilm mit Impressionen von der Fotoshooting und mit stimmungsvoller Musik von Graham Lynch
