Hinter vielen Korsetts, die ich anfertigen darf, verbergen sich Sehnsüchte, geheime Wünsche, Leidenschaften, manchmal sogar Dramen. In Begegnungen anlässlich der Anproben, wird mir das eine oder andere Geheimniss anvertraut, das ich in meine Arbeit einfliessen lasse. Nicht alle Geschichten sind glücklich, aber jede ist besonders, authentisch und die, welche sie mir erzählen, wollen sie auch angesichts des Schmerzes nicht missen… Ich hoffe stets, dass die Gefühle und das Begehren ihre Erfüllung finden…
Die vor einigen Wochen von mir aufgenommen Bilder und das geheimnisvolle Lächeln einer Frau im schwarzen Korsett lassen mich die Leidenschaftlichen Briefe von Anais Ninn und Henry Miller denken…

„Du erregst in mir eine solche Mischung von Gefühlen. Ich weiss nicht, wie ich mich Dir nähern soll. Komm zu mir – komm näher und näher zu mir. Es wird schön sein, das verspreche ich Dir. Ich mag Deine Freimütigkeit so sehr – sie ist fast eine Art Bescheidenheit. Ich könnte sie nie missbrauchen.“ (Henry Miller an Anais Ninn)

„Ich weiss nicht, was ich von Dir erwarte, aber es ist etwas in der Art eines Wunders. Ich werde alles von Dir verlangen – sogar das unmögliche, weil Du dazu ermutigst. Du bist wirklich stark. Ich mag sogar Deine Betrügerei, Deine Treulosigkeit. Sie erscheinen mir aristokratisch.“ (Henry Miller an Annais Ninn)

„Gestern sagtest Du, meine Gutmütigkeit habe Risse. Willst Du mir nicht verraten, was für welche es sind, damit ich sie vergrössern kann? In diesem Wissen liegt meine Rettung.“ (Anais Ninn an Henry Miller)
Anais Nin, Henry Miller, Briefe der Leidenschaft, Scherz Verlag, 1989