Im Februar eröffnete sich mir eine aussergewöhnliche Gelegenheit, auf dem Dachboden eines Hauses in Baden eine beeindruckende Sammlung von Korsetts und kostbaren Korsettstoffen aus den Jahren 1890 bis 1960 vor einer Hausräumung zu retten. Diese Entdeckung war nicht nur ein Fenster in vergangene Jahrzehnte der Korsettherstellung, sondern auch eine Quelle der Inspiration, um tiefer in die faszinierende Geschichte der Korsettstoffe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einzutauchen.

Inmitten dieser Rettungsaktion stiess ich auf einen Katalog meiner eigenen Korsettausstellung aus dem Jahr 2019 in Basel und erinnerte mich an den Brief eines Herrn, der mir nach dem Besuch dieser Ausstellung einen Brief voller Wertschätzung schrieb. Da ich die Ausstellung als einen Abschluss meiner Karriere in der Mass-Korsettherstellung betrachtete, bedankte ich mich für den Brief und wir sind uns nicht persönlich begegnet, obwohl er möglicherweise seine Korsett-Sammlung erwähnt hätte. Sein Sohn und Erbe kontaktierte mich das Jahr im Februar nach dem Ableben seines Vaters, kurz vor der geplanten Hausräumung, und bot mir die Gelegenheit an, wertvolles zu retten. Es erfüllte mich mit Freude zu wissen, dass die Schätze – wenn auch etwas spät – doch noch in meine Hände gerieten. Ich möchte sie unbedingt im neuen Glanz erstrahlen lassen.

Die Geschichte der Korsettstoffe: Eine Zeitreise durch Eleganz und Handwerkkunst

Die erworbenen Stoffe in den Nuancen von Blau, Lachs, Violett und Schwarz-Gold stellen einen wahren Schatz dar. Es handelt sich sowohl um festen Coutil mit feinen geometrischen Mustern, als auch um Atlasstoffe, in denen sich filigrane florale Muster von der glänzenden satinierten Oberfläche erheben. Die Vielfalt und Qualität dieser Materialien beeindrucken, und die handwerkliche Meisterschaft in ihrer Herstellung ist bewundernswert. Besonders die dunklen Stoffe in Schwarz-Gold eignen sich exzellent für die Schöpfung von Taillenkorsetts und Gürteln, während die zarten blau und rosa Töne eher an romantische Lingerie-Korsetts denken lassen. Obwohl Korsetts der Jahrhundertwende hauptsächlich als Wäsche getragen wurden, wurde nicht an Aufwand gespart, um den Trägerinnen das Tragen zu einem Vergnügen zu machen. Hierin spiegelt sich eine der Strategien der blühenden Korsett-Industrie, die sich vor dem, durch die soziokulturellen Entwicklungen verursachten und sich deutlich abzeichnenden Niedergang, retten wollte.

Von Verführung zu Kunsthandwerk: Die Veränderung der Perspektive

Die Entdeckung dieser historischen Schätze hat nicht nur meine Leidenschaft für Korsetts neu entfacht, sondern auch eine Verschiebung in meiner Perspektive bewirkt. Während ich in jüngeren Jahren Korsetts vorwiegend mit weiblicher Verführungskraft assoziierte, stehen heute das Kunsthandwerk und die ästhetische Begeisterung für die Schönheit von Stoffen und Formen im Mittelpunkt. Die Emotionen, die dieser Fund in mir weckte, motivierten mich dazu, ein Korsett „L`heure blue“ zu entwerfen – eine Hommage an vergangene Zeiten. Ich kann mir vorstellen, das Model in mein Kursangebot für gelernte Damenschneiderin zu integrieren und freue mich auf entsprechende Anfragen.

Eine zweiteilige Ausstellung: Vergangenheit trifft Gegenwart

Um meine Begeisterung und die Schönheit dieser Korsettsammlung mit anderen Interessierten zu teilen, plane ich gemeinsam mit Jeanette Spreuer, Besitzerin des Kaffees Lou Salomé in Winterthur, die ein Teil der Sammlung erstanden hat, eine zweiteilige Ausstellung. Im Café Lou Salome sollen nicht nur die historische Korsetts aus den 20-50er Jahren präsentiert werden, sondern auch mein neues Werk „L’heure blue“, das gerade entsteht. Geplant ist auch ein Vintage-Damen Salon. Bereits jetzt sind einige meiner Kreationen aus den Jahren 2000-2019 im Kafe Lou Salomé zu bewundern.

Zusätzlich beabsichtige ich, historische Korsetts, kostbare historische Modebücher und Korsettzubehör im Atelier TEXTILART der Stiftung Wisli in Winterthur auszustellen. Dieses Atelier, das ich gegenwärtig aufbaue und in dem ich unterschiedliche textile Produkte anbieten werde, soll zu einem anmutigen Treffpunkt für Kunsthandwerk-Liebhaber*innen werden. Es erfüllt mich mit Vorfreude, diese einzigartige Ausstellung zu realisieren und gemeinsam mit Gleichgesinnten die Schönheit der Vergangenheit und Gegenwart zu zelebrieren.